11.03.2024
Schmerzen

Moderne Physiotherapie: Der Körper ist keine Maschine, die sich reparieren lässt!

Ursachensuche 

Die Ursachen körperlicher Beschwerden wie Rückenschmerzen oder steifer Gelenke zu verstehen, ist ein nachvollziehbares menschliches Bedürfnis. War es eine falsche Bewegung beim Bücken oder Heben? Liegt es an einer Bandscheibe, die auf den Ischias Nerv drückt? Könnte ein spezielles Kopfkissen oder eine neue Matratze Abhilfe schaffen? Dagegen versprechen Operationen für neue Gelenke, Spritzen gegen den Hexenschuss mit Nervenschmerzen, heilversprechende Übungen und Verbote von bestimmten Haltungen oder Bewegungen die vermeintliche Ursache beheben.  

Von der biomechanischen zur biopsychosozialen Denkweise der Medizin 

Weg von einer Ursache hin zu vielen Einflussfaktoren 

Der Blick der Medizin auf den Menschen entwickelt sich seit Jahrzehnten kontinuierlich weiter. Weg von der industriell geprägten Betrachtung des Körpers als Maschine, hin zu einem biopsychosozialen Ansatz, den Körper als komplexen Organismus verstehen zu wollen. Neben den körperlichen Aspekten, individuellen Erfahrungen und Überzeugungen spielt auch das eigenverantwortliche und selbstwirksame Handeln eine große Rolle für unser Wohlbefinden.  

Somit spielt die Einstellung und Überzeugung von Patient*innen neben therapeutischer Erfahrung und wissenschaftlicher Nachweisbarkeit von Behandlungsformen eine gleichwertige Rolle in der modernen Physiotherapie. 

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Das Problem des „alten Modells“ am Beispiel von Rückenschmerzen: 

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass 90 % aller Rückenschmerzen keine klare Ursache haben – sie sind sogenannte „unspezifische Rückenschmerzen“. MRT- oder Röntgenbilder zeigen meistens Auffälligkeiten (allerdings fast genauso häufig bei schmerzfreien Personen!), stellen aber nicht die Ursache der Beschwerden und somit keine Lösungsstrategie dar. Diagnosen wie Bandscheibenvorfall, Gleitwirbel oder Arthrose sind zudem für schmerzgeplagte Menschen nicht nur irreführend, sondern können nachweislich Ängste schüren und zu länger anhaltenden und intensiveren Schmerzen führen. Es kann zu einer Art Teufelskreis von Verunsicherung und Angst, reduzierter körperlicher Aktivität, verringerte soziale Anbindung und damit weniger körpereigene Schmerzhemmung mit herabgesetzter Belastbarkeit und gedrückter Stimmung führen, die wiederum das Verletzungsrisiko erhöht.  

Ein neues Verständnis von Schmerzen  

Da unser Bedürfnis der Ursachenforschung aber weiter nach Antworten sucht, braucht es ein neues Verständnis von Schmerzentstehung. Dazu müssen wir unser Wissen und unser Verständnis von der Entstehung UND der Funktion von Schmerz grundlegend erneuern. Viele schlaue forschende und praktizierende Menschen auf dieser Welt haben die letzten Jahrzehnte herausgefunden, wie wir das aktuelle Wissen über Schmerz nutzen können. Uns hat unter anderem die sogenannte „PAIN REVOLUTION“ (deutsch: Schmerzrevolution, s. Anhang) die Augen geöffnet, unsere Köpfe rauchen lassen uns auch unsere Sichtweise auf den Körper verändert.  

Zwei spannende Erkenntnisse für uns als Physiotherapeut*innen: 

  1. Schmerzen sind immer real, aber von außen nicht messbar oder vergleichbar 

  1. Das Wissen darüber wie Schmerz wirklich entsteht, wozu er gut ist und wieso er manchmal länger bleibt als nötig, ändert das Leben von Menschen 

Integrieren wir das aktuelle Verständnis von Schmerz in das Biopsychosoziale Modell bei „unspezifischen Rückenschmerzen“: es wird verständlich, warum die moderne Physiotherapie sich nicht an der Diagnose anhand eines bildgebenden Verfahrens (MRT, Röntgen) orientieren kann. Stattdessen stellt ein ausführliches Gespräch und eine gründliche körperliche Untersuchung den Menschen (Körper, Psyche, soziales Umfeld = biopsychosozial) in den Vordergrund. Das gemeinsame Herausarbeiten von Glaubenssätzen, das Auffinden hilfreicher Bewegungsmuster und die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben als Ergebnis bestimmen die weitere Vorgehensweise. Vorgefertigte Lösungen im „Gießkannenprinzip“ (für Alle die gleichen Therapieinhalte) kommen nicht zum Einsatz.  

Hilfreich und wertschätzend versuchen wir also, Ihre Beschwerden „mit Ihnen“ und nicht „für Sie“ zu lösen, voller Überzeugung, dass unsere Art der Physiotherapie Ihnen den nötigen Schwung in die richtige Richtung gibt. 

Weitere Informationen vom Bundesministerium für Gesundheit 

https://gesund.bund.de/ruecken-und-kreuzschmerzen 

Weitere Informationen zu Schmerzen 

https://www.painrevolution.org/painfacts 

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Thilo Füller
Miriam Vogt
Physiotherapeutin
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